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Predigt von Pfarrerin Angela Schwalbe im Ökumenischen Festgottesdienst am 12.08.2018 anlässlich des Dorfjubiläums 700 Jahre Dorn-Assenheim in der katholischen Kirche St. Maria Magdalena

Zu den Lesungen des Gottesdienstes:

Psalm 127

1 Wenn nicht der HERR das Haus baut, mühen sich umsonst, die daran bauen. Wenn nicht der HERR die Stadt behütet, wacht umsonst, der sie behütet.
2 Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und euch spät erst niedersetzt, um das Brot der Mühsal zu essen; was recht ist, gibt der HERR denen, die er liebt, im Schlaf.

1. Römer 3, 21-25a.28
Das Kreuz Jesu als Heilsort für alle Menschen

21 Jetzt aber ist unabhängig vom Gesetz die Gerechtigkeit Gottes offenbart worden, bezeugt vom Gesetz und von den Propheten: 22 die Gerechtigkeit Gottes durch Glauben an Jesus Christus, offenbart für alle, die glauben. Denn es gibt keinen Unterschied: 23 Alle haben ja gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren. 24 Umsonst werden sie gerecht, dank seiner Gnade, durch die Erlösung in Christus Jesus. 28 Denn wir sind der Überzeugung, dass der Mensch gerecht wird durch Glauben, unabhängig von Werken des Gesetzes.                                

Evangelium Matthäus 7, 24-27
Bildwort vom klugen und törichten Hausbau

24 Jeder, der diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute. 25 Als ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein; denn es war auf Fels gebaut. 26 Und jeder, der diese meine Worte hört und nicht danach handelt, ist ein Tor, der sein Haus auf Sand baute. 27 Als ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es ein und wurde völlig zerstört.

 

Sehr geehrte Stadtverordnetenvorsteherin Lena Herget,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Bertin Bischofsberger,
sehr verehrte Ehrengäste, liebe Gemeinde,
die Sie hier versammelt sind in diesem Haus.

Dieses Haus hat im letzten Vierteljahr extremem Wetter getrotzt. Am 23. Mai dem heftigen Unwetter, das in dieser Region so manchen Keller unter Wasser gesetzt hat. Manche sind erst kürzlich mit dem Renovieren fertig geworden. Und nun der anhaltenden Hitze und Dürre. Da ist es hier drin noch vergleichsweise angenehm im Vergleich zu draußen.

Was ist das Geheimnis dieses Hauses? Es hat ein gutes Fundament. Es ist nicht auf Sand gebaut, wie Jesus im Matthäusevangelium (7,24-27) sagt, sondern es ist auf Fels gebaut. Und deshalb konnte es nicht nur den Wetterkapriolen der letzten Monate trotzen. Sondern konnte durch Jahrhunderte hindurch in der Geschichte dieses Ortes Dorn-Assenheim den Menschen Heimat und Schutz bieten.

Wie wechselhaft diese Geschichte ist, das zeigt sich am Namen dieses Ortes. Vermutlich zunächst nach dem ersten Siedler namens „Masson“ Massonheim benannt, wird urkundlich erstmals im Jahre 1273 Massinheim erwähnt. Der Zusatzname „Dorn“ kam dann möglicherweise hinzu, weil es hier eine kleine Schafzucht gab. Diese wurde nachts in einem Pferch eingefriedet, der mit einer lebenden Dornenhecke geschützt wurde. So wurde aus „Massenheim“-  „Assenheim im Dorn“, in den Siebzigern offiziell verkürzt zu „Dorn-Assenheim“.

Da für die Schafzucht und die Landwirtschaft Wiesen und Äcker entwässert werden mussten, wurde ein kleines Kanalsystem angelegt. Über den Hauptkanal wurde eine wackelige Brücke geschlagen, ein sogenannter „Knüppeldamm“, der „schloggerte“ wenn Fuhrwerke drüber fuhren. (Für alle, die wie ich aus dem Rheinland oder Ruhrgebiet oder noch weiter nördlich her stammen – dort würde man sagen: „sie schlackerte“ – hier heißt es eben: „Sie schloggerte“. So kam, so wird es jedenfalls bis heute erzählt, der Ort auch zu seinem Namen „Schloggebach“, der vor allem mündlich weitergegeben wird.                                                                                    

Mir gefällt diese Polarität zwischen der auf Fels gebauten Kirche und der in die Landschaft eingepasste, schloggernde Brücke. Beides hat hier seinen Platz. Die Stabilität der Kirche und die Flexibilität im Alltag, mit der aktuelle Probleme ganz praktisch angegangen werden, auch wenn das heißt, nicht immer alles so zu machen, wie wir das schon immer gemacht haben.

Ein reges Vereinsleben, das sich auch in diesem Gottesdienst wiederspiegelt, eine KiTa, Offenheit auch für Flüchtlinge, die schon seit Jahren das Ortsbild mitprägen – und auch eine religiöse und christlich-religiöse Vielfalt zeugen davon, dass ein festes Fundament und bewegliche Brücken zueinander sich nicht ausschließen, sondern geradezu zusammengehören.

Dabei hat ja auch dieses Haus Wandlungen erfahren.
Wann es erstmals auf diesem Grund errichtet wurde, habe ich zwar nicht in Erfahrung gebracht.
Aber es gibt Vermutungen, dass Bonifatius erstmals um 722 n.Chr. herum diesen Ort christianisiert haben mag.
Zunächst zum Bistum Fulda gehörend, mal zwischen den Bistümern Fulda und Worms aufgeteilt, erlebte dieser Ort durch die kommenden Jahrhunderte hindurch Zugehörigkeiten mal zu diesem mal zu jenem Fürst und damit verbunden mal zu dieser oder jener Konfession.
Im Zuge der Reformation wurde Schloggebach-Dorn-Assenheim 1593 unter den Herren zu Schönburg evangelisch.
Siebzig Jahre später machten wieder die vorhergehenden Herren von Schönborn ihre Ansprüche geltend.
Sie versuchten die Gegenreformation durchzuführen - zunächst ohne Erfolg. Die Menschen hier wollten weiter evangelisch bleiben.
Aber eine Generation weiter war der Ort dann wieder katholisch.
Die Herren kamen und gingen, der Glaube blieb
– ungeachtet der Konfession.

Dieses Haus – gebaut auf festem Fundament. Im wörtlichen und im übertragenen Sinne.
Es bietet auch heute Heimat für Katholiken und Protestanten.
Seit Jahrzehnten ist es guter Brauch, dass evangelische Christinnen und Christen regelmäßig hier ihre Gottesdienste feiern. Dafür sei der katholischen Gemeinde herzliche gedankt.
Und es gibt gemeinsame Projekte zwischen katholischer und evangelischer Kirchengemeinde (der ökumenische Sternsingergottesdienst im Januar, die ökumenischen Exerzitien im Frühjahr)                           
– und so freue mich heute ganz besonders, dass wir diesen Gottesdienst und dieses Fest gemeinsam feiern.                                   
Und das Thema des Tages aus dem katholischen liturgischen Kalender übernehmen, das so wunderbar zu diesem Anlass passt.                             
Und mich freut, dass sogar die reformatorische Grunderkenntnis, die Martin Luther aus Römer 3 entnommen hatte,  in diesem Kalender aufgenommen ist.
Nämlich, dass der Mensch in Gottes Augen durch Glauben gerecht wird, unabhängig von dem, was er bewirkt.

Ja, wir Menschen bauen mit unseren Händen an diesem Haus. Bürgermeister, Stadtverordnetenvorsteherin, Politiker, Vereine, Ehrenamtliche krämpeln immer wieder die Ärmel hoch und tun ihr Bestes, um dieses Haus, diese Gemeinschaft,  zu gestalten. Und passen auf, dass es diesem Ort gut geht. Und doch: 

Wenn der Herr nicht das Haus baut…(Psalm 127,1)
Das Haus. Griechisch oikos.
Das eine Haus. Griechisch oikos menos. Ökumene.
Das eine Haus im wörtlichen und übertragenen Sinne, in dem wir alle  hier zusammen kommen.
Katholiken, Protestanten, Syrisch-orthodoxe (die es hier im Ort auch gibt), Freikirchlich orientierte. Mitglieder der bürgerlichen und der kirchlichen Gemeinden.
Das eine Haus, in dem die ganze Welt zusammenkommt. Anfang der Woche haben Sr. Mateusza (Polen) Pater Jakob (Indien) ökumenisch und international Schulgottesdienste gefeiert.
Und mir wurde erzählt, dass Sie vor vielen Jahren von einem Pfarrer aus Afrika begleitet wurden. Die ganze Welt kommt in diesem Haus zusammen. 
In diesem Haus, das nur eine Wohnung unter vielen ist in des Vaters Haus. Dieses eine Haus, das die ganze Welt umspannt.

Das Haus dieser Erde, in dem alles mit allem verbunden ist,
wie vor einigen Tagen ein Wissenschaftler der Ökologie zu der derzeitigen Hitzeperiode als möglicher Vorbotin einer bevorstehenden Heißzeit sagte. Die Lehre von allem, was zusammenhängt in dem Haus Erde: oikos logos. Ökologie.
Das eine Haus hier vor Ort und rund um den Globus – mögen wir es gemeinsam hegen und pflegen und mögen wir jedem und jeder Raum und Heimat geben in diesem Haus.

Aber: „Wenn nicht der HERR das Haus baut, mühen sich umsonst, die daran bauen. Wenn nicht der HERR die Stadt behütet, wacht umsonst, der sie behütet.“ (Psalm 127,1)

Mögen wir bei all dem, was wir hier tun, bescheiden bleiben und damit rechnen, dass nicht wir die Herren dieses Hauses sind, sondern Gott in der Gestalt seines Sohnes Jesus Christus.
So sehr er auf unsere Hände angewiesen ist – wir sind darauf angewiesen, dass er seinen Segen und sein Gelingen dazu gibt.
Möge er weiter mit unseren Händen an diesem Haus hier in Dorn-Assenheim und in der ganzen Welt  bauen. Möge er diesen Ort und alle, die in ihm wirken, weiter behüten.
Möge er weiterhin seinen Segen und sein Gelingen zu dem geben, was wir hier tun.

Und der Friede Gottes, der unsere menschliche Vernunft übersteigt, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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